licht und dunkelheit im kosmos der inuit

Diese Skulpturen schuf Andy Miki (1918 - 1982) aus Arviat, der für seine eigenwilligen Werke international bekannt wurde. Sein beliebtestes Motiv waren Hasen, die er manchmal nur schematisch aus Steinscheiben schnitt oder plastisch in den Stein schliff.  Der Hase spielt in kosmologischen Vorstellungen der Inuit eine besondere Rolle. Der Legende nach ist er verantwortlich für das Licht auf der Erde. 

Vor der Begegnung mit Weissen stellten sich Inuit die Erde als unbewegliche Scheibe vor, die von einem rotierenden Himmelszelt umgeben ist. Sonne, Mond, Sterne und die Aurora Borealis bildeten das Universum der Arktis. Trotz langer Phasen der Dunkelheit entwickelten die Inuit aber keine komplexen astronomischen Beobachtungen über den Kosmos und die Gestirne. 33 Sterne waren ihnen bekannt, wovon nur 6 Namen erhielten. Viele davon nutzten Inuit zur Navigation. Weit entfernte Sterne deuteten sie als kleine Löcher in der Himmelssphäre. Die meisten Himmelserscheinungen waren mit Legenden über Tiere und Menschen verbunden. Aurora Borealis breitete sich am Polarhimmel aus, wenn die Fackeln der Geister den verstorbenen Seelen den Weg wiesen. Der Mond, eine Scheibe aus Eis, und die Sonne, eine Kugel aus Feuer, waren die grössten, sichtbaren Planeten. Wenn die Sonne für mehrere Monate am Horizont verschwand war dies ein Zeichen dafür, dass Kälte und Frost derart schwer auf der Sonne lasteten, dass sie aus eigener Kraft nicht mehr an den Himmel steigen konnte.   Die drei präzise aufgereihten Sterne im Bild des Orion erklärten Inuit mit einer besonderen Legende: 

«Vier Jäger folgten eines Tages der Fährte eines Bären. Der Bär entkam, indem er in den Himmel entschwand. Die vier Männer beschlossen aber, ihm zu folgen. Als sie immer höher und höher in den Himmel stiegen, verlor einer der Männer plötzlich seinen Handschuh und ging zurück auf die Erde, um ihn zu holen. Die anderen Jäger folgten weiter der Spur des Bären und stiegen hintereinander weiter hinauf ins Himmelszelt. Jener Inuit aber, der auf die Erde zurückkehrte erzählte den anderen Inuit von dieser abenteuerlichen Jagd.» 

Und wie man sieht, sind die drei Jäger noch nicht zurück gekehrt, denn weit entfernt kann man sehen, wie sie am Himmel immer noch hintereinander der Fährte des Bären folgen.

In der Vergangenheit berechneten Inuit die Zeit nach dem Vollmond und ihr Mondkalender hatte 13 Monate. Je nach Gemeinde war Neujahr zu einem anderen Zeitpunkt, nämlich dann, wenn die Sonne nach der langen Polarnacht aufging. Das Licht hat zentrale Bedeutung für die Inuit und daher ist seinem Erscheinen auch die folgende Legende gewidmet.

«Zu Beginn war alles dunkel. Es war kein Licht auf der Erde und man konnte den Boden nicht sehen. Doch es war jene Zeit, in der sich Tiere in Menschen verwandeln konnten. Es gab verschiendene Tiere: Bär, Hase, Fuchs und andere. Doch als sich diese Tiere in Menschen verwandelten, waren alle gleich: sie sprachen die gleiche Sprache, lebten im selben Haus und jagten auf die gleiche Weise. Es war in jener Zeit, als magische Worte entstanden. Ein gewöhnliches Wort konnte plötzlich magische Kräfte annehmen und niemand konnte erklären weshalb und wie dies geschah. Doch weil dies geschah, entstanden Licht und Dunkelheit. In jener Zeit nämlich  trafen sich eines Tages Hase und Fuchs. Als sie sich begegneten, begannen sie zu streiten. Der Fuchs rief unaufhörlich «Dunkelheit! Dunkelheit», denn er liebte die Nacht, die ihn verbarg, wenn er das Jagdgut der Menschen stahl. Der Hase hingegen rief andauernd «Licht! Licht!», denn er brauchte das Sonnenlicht, um Futter zu finden. Plötzlich erschien das Licht und der Tag verscheuchte die Dunkelheit. Die Worte des Hasen hatten die grössere magische Kraft, als jene des Fuchses - so musste es sein!  Seit dieser Zeit wechseln sich Tag und Nacht ab, genau so wie sich Fuchs und Hase abwechseln, wenn sie auf Futtersuche sind.»

Quelle: McDonald (1998)

© JB, INUITgalerie, Zürich

Zurück